Fitusiran: kaum Blutungen in der ATLAS-A/B-Studie
An ATLAS-A/B nahmen ≥12-jährige Patienten mit Hämophilie A oder B ohne Hemmkörper teil. In allen Fällen bestand eine schwere Blutungsneigung, die mit prophylaktischem Fitusiran oder Gerinnungsfaktorkonzentraten als Bedarfsmedikation behandelt wurde. Die Patienten der Fitusiran-Gruppe profitierten erheblich und hatten eine signifikant höhere Lebensqualität.
Fitusiran gehört zur Gruppe der Small Interfering RNA (siRNA). Das kleine Molekül interferiert mit der Antithrombin-kodierenden RNA und steigert damit die Thrombinbildung. An der internationalen randomisierten Phase-3-Studie ATLAS-A/B nahmen120 Patienten teil. 93 hatten eine schwere Hämophilie A (Faktor VIII <1%) und 27 eine schwere Hämophilie B (Faktor IX ≤2%). Zu den Aufnahmekriterien gehörten ≥6 behandlungsbedürftige Blutungsereignisse in den 6 Monaten vor dem Screening. In der Fitusiran-Gruppe waren 80 und in der On-Demand-Gruppe 40 Patienten. Die Fitusiran-Dosis betrug 80mg 1-mal monatlich subkutan. Hauptendpunkt war die jährliche Blutungsrate.
1 Patient erhielt wegen Rücknahme des Einverständnisses kein Fitusiran. 10 brachen die Behandlung ab. Ursachen waren Nebenwirkungen, COVID-19, persönliche Gründe und in 6 Fällen Vorsichtsmaßnahmen des Herstellers, weil in anderen Studien der Verdacht auf therapieassoziierte Thrombosen bestanden hatte. Die Beobachtungszeit lag in beiden Gruppen bei 7,8 Monaten. Fitusiran war der Bedarfsmedikation signifikant überlegen:
- jährliche Blutungen median 0 und 21,8,
- jährliche Blutungen mean 3,1 und 31,
- 90% reduzierte Blutungsrate,
- keine behandelten Blutungen 51% und 5% und
- ≤3 behandelte Blutungen 84% und 15%.
Fitusiran war bei Hämophilie A und B vergleichbar effektiver als die Bedarfsmedikation. Die reduzierten Blutungsereignisse wirkten sich positiv auf die Lebensqualität aus. Dies zeigte sich in den physischen und psychischen Domänen des Haem-A-QoL-Scores (Haemophilia Quality of Life Questionnaire).
78% (Fitusiran) und 45% (Bedarfsmedikation) hatten ≥1 unerwünschte Ereignisse. Schwere unerwünschte Ereignisse kamen bei 6% und 13% vor. Bei Fitusiran handelte es sich 2-mal um Gallensteine, 1 Cholezystitis, 1 tiefen Atemwegsinfekt und 1 Asthma bronchiale. In der Vergleichsgruppe kamen Gastroenteritis, Pneumonie, Suizidgedanken, Diplopie, Osteoarthritis, epidurales Hämatom, subdurales Hämatom, Humerusfraktur und Tibiafraktur vor. Fitusiran induzierte bei 19% der Patienten eine Steigerung der Lebertransaminasen, die als leicht und mittelschwer eingestuft wurden. In 5 Fällen kam es deshalb zu Therapieunterbrechungen oder -abbrüchen. Thromboembolische Ereignisse traten nicht auf.
Fazit:
Fitusiran reduzierte die Antithrombinaktivität auf 12-14% und steigerte die Thrombinproduktion von 17,1nmol/l auf 29,8-43,1nmol/l. Dies resultierte in signifikant weniger Blutungen bei einem vertretbaren Sicherheitsprofil. Die hämostatische Effektivität bestand bei Hämophilie A und Hämophilie B. Hauptlimitation der Studie sei laut Pipe et al. der Vergleich von Prophylaxe und Bedarfsmedikation. Somit verglich die Studiengruppe Fitusiran nicht mit dem aktuellen klinischen Standard, der aus der prophylaktischen Substitutionsbehandlung bestehe.
Quelle:
Autor Studienreferat: Dr. med. Susanne Krome, Melle